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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 16.11.2007


I Broke my Future - Paradies Europa im Rahmen des Filmfestivals uebermorgen
Stefanie Denkert

Regisseurin Carla Gunnesch hat in ihrem bewegenden Dokumentarfilm afrikanische Asylbewerber begleitet, die vom Paradies Europa träumten und nun am Rande der Gesellschaft leben. Absolut sehenswert!




Jährlich versuchen hunderttausende afrikanische Flüchtlinge nach Europa zu gelangen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Zum Teil, weil sie aus ärmsten Verhältnissen stammen, oder weil sie politisch Verfolgte sind. So auch im Sudan, wo ein Völkermord gegen SchwarzafrikanerInnen auf der Tagesordnung steht.
Die meisten halten Europa für das Paradies, so auch Fela (27 Jahre), Rachid (31 Jahre), Daren (31 Jahre) und Karim (26 Jahre), die sich u.a. mit Hilfe von Schleppern und versteckt im Schiffscontainer auf den Weg gemacht haben. Ihr großer Traum ist jedoch bescheiden: sie wollen in Deutschland leben, arbeiten, die große Liebe finden und eine Familie gründen. Das, was sich Menschen normalerweise halt wünschen, erklärt einer der Männer.

Schnell tritt bei den AsylbewerberInnen Ernüchterung ein: Sie sind alles andere als Willkommen. Neben restriktiven Asylregularien und ständigen Überprüfungen sehen sich die vier Männer fortwährend Anfeindungen und Schikanen ausgesetzt. Auf Behörden, von deutschen MitbürgerInnen und von der Polizei. Gleich nach ihrer Ankunft wurden sie in schäbigen Asylantenheimen irgendwo in der Provinz einquartiert, von wo sie sich offiziell nicht fortbewegen dürfen. Dort sollen sie warten, bis über ihren Antrag entschieden ist. Das dauert jedoch durchschnittlich 3 Jahre und endet meist mit Abschiebung. Die vier Männer wollen nicht tatenlos herumsitzen und haben sich deshalb nach Berlin aufgemacht, wo sie von Schwarzarbeit leben und in billigen Unterkünften hausen.

Um in Deutschland bleiben zu können, gibt es für sie drei Möglichkeiten:
Entweder sie erhalten eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, können unterhaltspflichtige Kinder vorweisen oder sie heiraten eine deutsche Frau und leben mindestens zwei Jahre mit ihr in einer gemeinsamen Wohnung.
72 Prozent der 56.490 AfrikanerInnen, die zwischen 2000 und 2005 ein Asylverfahren beantragt haben, durften in Deutschland bleiben. Lediglich zwei Prozent aus anerkannt politischen Gründen. Der große Rest aufgrund von Heirat oder Elternschaft. Auch die vier jungen Afrikaner spekulieren auf diese Möglichkeit.

"Mit einer Frau zusammen zu sein, nur wegen der Papiere, ist ein zu hoher Preis" -resümiert Fela frustriert und vergleicht seine Situation mit käuflicher Liebe. So gibt es auch deutsche Frauen, die auf der Suche nach einem "exotischen" sexuellen Abenteuer die Not der afrikanischen Asylbewerber ausnutzen, und ihnen falsche Versprechungen machen. Andererseits werden auch die Asylbewerber dazu gedrängt eine Ehe nicht allein der Liebe wegen einzugehen.

Die Dokumentarfilmerin Carla Gunnesch begleitete die vier Männer im Asyslbewerberheim und in Berlin, dabei ließ sie sie von ihren Alltagserfahrungen in Deutschland berichten. Unterm Strich ziehen die vier Afrikaner ein frustriertes Fazit: die Warterei auf den Asylentscheid empfinden sie als verlorene Zeit und betrachten ihr Leben als würdelos - vertane Zeit. Nur gegenüber ihren besorgten Familien in den Heimatländern halten sie das Bild vom Paradies Europa aufrecht. Am Telefon erzählen sie, dass es ihnen gut geht und alles ihren Wünschen entspricht.

Auslöser für ihren Dokumentarfilm war laut Carla Gunnesch ein Zeitungsartikel über afrikanische Flüchtlinge, die auf dem Weg nach Europa ums Leben kamen. Nachdem sie mit einem afrikanischen Bekannten darüber sprach, entwickelte sie die Idee, einen Film über diejenigen zu machen, die es geschafft hatten. Denn in der Presse wird tendenziell eher über die berichtet, die beim Fluchtversuch sterben, nur wenige interessieren sich für die Probleme der AsylbewerberInnen. Mit ihrem Film macht sie ihre Forderung an die PolitikerInnen deutlich: Das Asylbewerberverfahren in Deutschland muss geändert werden. In anderen europäischen Ländern wird den AsylbewerberInnen schließlich auch eine Arbeitserlaubnis erteilt. Diese Menschen wollen arbeiten, um ein besseres Leben zu haben. Von den Behörden erhalten sie 200 Euro im Monat, den größten Teil davon in Form von Lebensmittelmarken und etwa 40 Euro in bar, sowie auch die Unterbringung in den Heimen. Das größte Problem, resümiert Gunnesch, ist die fehlende Arbeitserlaubnis. Viele AsylantInnen driften in die Grauzonen des Arbeitsmarkts, wo sie sich mit Stundenlöhnen von zwei bis drei Euro verdingen müssen, und nicht selten um ihren Lohn betrogen werden. So ist es nicht verwunderlich, das einige in die Kriminalität gedrängt werden.

AVIVA-Tipp: Wie Carla Gunnesch selbst erklärte, wollte sie in ihrem Film zeigen, wie AsylbewerberInnen hier leben. Damit hat sie sich mutig einem Thema gewidmet, das wenige Leute interessiert. "I Broke my Future - Paradies Europa" ist ein ruhiger Film, der sein Ziel, das Publikum zum Nachdenken anzuregen, erreicht.

Zur Regisseurin: Carla Gunnesch wurde am 2.12.1974 in Bukarest, Rumänien, geboren und wuchs in Heidelberg und Köln auf. Sie hat Volkswirtschaft mit dem Schwerpunkt Arbeitsmarktökonomik in Berlin studiert und Auslandsaufenthalte in London und an der amerikanischen Stanford University absolviert. Nach ihrem Studium hat Carla Gunnesch am Kölner Filmhaus und an der Filmschule Hamburg Seminare zur filmischen Weiterbildung belegt. Gunnesch arbeitete als Drehbuchlektorin, hat Magazinbeiträge für den Sender Freies Berlin realisiert und war in der Hamburger Medianagentur OMD Germany als Projektmanagerin tätig. "I Broke my Heart - Paradies Europa" ist Carla Gunneschs erster langer Dokumentarfilm. Gegenwärtig arbeitet sie an einem Porträtfilm über einen Filmkomponisten.

Weitere Infos über den Film unter: www.ibrokemyfuture.de

Weiterlesen auf AVIVA Berlin:
Filmfestival uebermorgen: www.aviva-berlin.de/aviva/content_Kultur.php?id=8967

I Broke my Future - Paradies Europa
Deutschland, 2006
Dokumentarfilm, 83 min.
Regie/Buch/Produktion: Carla Gunnesch
FSK: ab 12 Jahren
Start: 10.11.2007


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Beitrag vom 16.11.2007

AVIVA-Redaktion